Predigt über 1. Samuel 7,12 an Rogate (22. Mai 2022) - Goldene und Diamantene Konfirmation
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen
1. Samuel 7,12: „Bis hierher hat uns der Herr geholfen!“
Gebet
Liebe Jubelkonfirmandinnen und -konfirmanden, liebe Gemeindeglieder!
Ich habe heute eine Kleinigkeit mitgebracht aus dem Nähkästchen meiner Frau. Es ist ein roter Faden. Dieser rote Faden soll uns heute durch die Predigt begleiten und uns helfen, unser Leben mit unserem Predigtvers zu verbinden.
Mit so einem roten Faden kann ja allerhand passieren: Ich kann ihn z.B. verlieren. Er ist dann aus meinem Blickfeld ganz und gar verschwunden.
Wenn ein Redner etwa den Faden verliert, dann gerät er in eine peinliche Situation. Er bleibt stecken. Er kommt nicht mehr weiter. Er muss völlig neu beginnen.
So ein Faden kann aber auch reißen. Wenn das etwa in einer Weberei passiert, dann ist das ganz und gar nicht gut ist. Der Stoff ist zunächst einmal verdorben und muss erst wieder mühsam und kunstvoll gerichtet werden.
Ein roter Faden kann aber auch ganz fehlen. Etwa in einem Buch. Vielleicht ist es ihnen auch schon einmal so gegangen, dass sie ein Buch gelangweilt wieder weggelegt haben, weil sie gemerkt haben, dass da der rote Faden fehlt.
So ein Tag wie heute, der Tag ihrer Jubelkonfirmation, wird sie vielleicht zu der Frage geführt haben: Was hat sich denn wie ein roter Faden durch mein Leben gezogen?
Sie haben vielleicht in letzter Zeit einmal ihr Leben Revue passieren lassen, haben sich zurückerinnert an all das, was in den Jahrzehnten zwischen ihrer Konfirmation und dem heutigen Tag so alles geschehen ist. Vielleicht sind sie sogar noch einen Schritt weiter zurückgegangen und haben ihr ganzes Leben vor sich ausgebreitet. Unzählig viele Erlebnisse und Ereignisse fallen in diese rund 64 bzw. rund 74 Jahre.
Da war zunächst ihre Kindheit in der Nachkriegszeit. Die Bundesrepublik war noch sehr jung, man sehnte sich nach Ordnung, Frieden, Sicherheit, nach Arbeit und Auskommen.
Damals begann so langsam das sogenannte Wirtschaftswunder, an dem sie wohl alle mehr oder weniger profitiert haben. Da gingen Wohlstand, Lebensqualität und Sicherheit stetig bergauf.
Viele von ihnen haben dann in den bunten siebziger und achtziger Jahren geheiratet, sie haben Familien gegründet und vieles zustande gebracht.
Wir dürfen heute trotz vieler unübersehbarer Probleme und Schwierigkeiten immer noch in einem der reichsten Länder dieser Erde leben.
Diese Entwicklung konnten sie zur Zeit ihrer Konfirmation noch nicht erahnen.
Wenn ihr Leben nun so vor ihnen liegt, mit all den ganz persönlichen Details, dann möchte ich Ihnen gerne nochmals die Frage stellen: Wo sehen Sie nun in ihrem Leben den roten Faden?
Ist es der ständige Aufstieg? Die Zunahme an Lebensqualität und Wohlstand? Ist es die Familie, die sich in Kindern und Enkeln und vielleicht Urenkel fortgesetzt hat? Ist es die Arbeit gewesen, die ihnen Freude gemacht hat, in der sie Erfüllung fanden und gutes Auskommen?
Oder ist es etwas ganz Anderes, das sich durch ihr Leben zog? War da vielleicht ein roter Faden von Leid, Krankheit oder Tod? Eine Kette von dunklen Erfahrungen, die kein Ende fand? Eine Kette von Schicksalsschlägen oder Verlusten?
Oder war es in ihrem Leben sogar einmal so, dass der Faden ganz riss? Etwa dann, als die Glückssträhne ihres Lebens plötzlich abriss und sie wie vom Pech verfolgt waren? Oder auch umgekehrt, dass da plötzlich der Knoten platzte und ihr Leben seither gut verlaufen durfte?
Oder sehen Sie von all dem nichts? Fehlt in ihrem Leben der rote Faden? War er nie da oder wurde er einmal verloren? Ist ihr Leben eher wie eine kunterbunte Kette ganz verschiedener Ereignisse, die scheinbar wenig miteinander zu tun haben? ---
Unser heutiger Predigttext möchte uns nun neu die Augen öffnen für den roten Faden, den Gott in unser Leben hineinlegen möchte. Samuel sagt:
„Bis hierher hat uns der Herr geholfen!“
Ich möchte Ihnen zunächst die Geschichte erzählen, zu der dieser Vers gehört, den Zusammenhang aufzeigen, in dem er steht. Er stammt von Samuel, der über 1000 Jahre vor Jesus im Volk Israel lebte und arbeitete.
Es war damals eine bewegte Zeit. Vieles ging drunter und drüber. Nach einer langen Phase, in der das Volk Israel seinen Gott schier völlig vergessen hatte, fand es – durch große innen- und außenpolitische Nöte getrieben - mit Samuels Hilfe wieder zurück zu dem lebendigen Gott.
Nachdem Gott ihnen auch noch einen Sieg über die Philister, geschenkt hatte, und sie nun wieder im Frieden leben konnten, richtete Samuel zum Dank dafür und als Erinnerung an die Hilfe Gottes einen Gedenkstein auf und nannte ihn Eben-Ezer, d.h. Stein der Hilfe. Dabei sagte er die Worte unseres heutigen Predigttextes: „Bis hierher hat uns der Herr geholfen!“
Die wunderbare Hilfe Gottes war also der rote Faden, er sich durch das Leben des Samuel und des Volkes Israel zog!
„Bis hierher hat mich Gott gebracht durch seine große Güte!“ so heißt es in einem Lied, das wir nachher noch miteinander singen werden und das schon manchem wichtig geworden ist.
Dass sie und wir alle heute hier sitzen dürfen, dass wir noch leben, das haben wir nicht uns selbst zu verdanken. Ich meine, wir haben es der Hilfe Gottes zu verdanken. Er hat einen roten Faden der Liebe durch unser Leben gezogen.
Schon bei unserer Taufe hat er damit angefangen. Er hat uns seine Liebe und Gnade angeboten. Er hat uns zugesagt: Ich will wie ein guter Vater für dich sorgen! Vertrau dich mir nur ganz und gar an!
Später dann im Konfirmanden- und Schulunterricht hat er uns all das persönlich hören lassen. Er hat uns gezeigt, was uns ein Leben mit Jesus bringt. Er hat unsere persönliche Entscheidung gehört, als wir am Tag unserer Konfirmation „Ja“ zu Jesus und zu einem Leben mit ihm gesagt haben. Wir haben seinen Segen empfangen, Vergebung zugesprochen bekommen und sind gewiss geworden, dass er uns ein Leben lang beistehen möchte.
Aber wie ging es weiter? Was ist dann in den letzten Jahrzehnten alles passiert? Vielleicht sitzt jetzt jemand unter uns und denkt: „Ja, ja, so weit hat mich Gott gebracht!“ Aber das ist dann ein bitterer Gedanke. So weit, das ist dann nicht positiv gefüllt. Da stehen plötzlich all die schlimmen Erlebnisse vor Augen. Wie soll das alles mit der Liebe und Hilfe Gottes zusammenpassen?
Da mag eine Krankheit sein, die einen selber an den Rand des Todes gebracht hat. Eine, die einem das Leben recht beschwerlich macht. Da mögen Unfälle geschehen sein, die unser Leben einschneidend verändert haben. Da ist in Ehe, Familie oder Beruf alles anders und vielleicht eben auch schiefgelaufen. Da ist eine Ehe kaputtgegangen, der Partner verstorben, liebe Menschen nicht mehr da, oder die berufliche Existenz zerbrochen.
Da haben einzelne so viel Leid erleben müssen, das sie an Gott hat zweifeln lassen. – Hat da Gott nicht seine Hand abgezogen? Ist da der rote Faden der Liebe und Hilfe Gottes nicht irgendwann einmal gerissen oder verloren gegangen?
Diese Anfechtung ist so alt wie die Geschichte der Menschheit. Immer wieder sind Menschen in solche Situationen geraten. Nicht Menschen, die mit Gott nichts am Hut haben, sondern solche, die durchaus eine Verbindung zu ihm hatten.
Denken wir nur an die vielen Klagepsalmen im Alten Testament! Da haben auch gläubige Menschen durch manche Not hindurchgehen müssen. Aber sie haben in ihrer Not zu Gott geschrieen und haben sich an ihm festgehalten:
„Dennoch bleibe ich stets bei dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand. Du leitest mich nach deinem Rat. ... Und selbst wenn mir Leib und Seele verschmachten, so bist du doch, Gott, alle Zeit meines Herzens Trost und mein Teil!“
Wer so in seinem Herzen spricht, in der Gewissheit, dass Gott ihn trotzdem hört und ihm hilft, der durfte dann immer wieder neu erleben, wie Gott gerade nach solchen Gebeten Hilfe schenkt und seine Hand nicht abzieht. Diese Menschen können deshalb die Worte Jesu aus unserer diesjährigen Jahreslosung bestätigen: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen! ---
Denken wir an jene alte und bekannte, und dennoch immer wieder neu hilfreiche und tröstliche Geschichte mit dem Titel „Spuren im Sand“.
Da erlebt ein Mensch nachts im Traum folgendes:
Sein Leben glitt an seinem inneren Auge vorüber. Es war wie ein Spaziergang mit Gott am Strand. Zwei Paar Fußspuren drückten sich in den Sand.
Aber immer wieder war nur eine Fußspur zu sehen. Eigenartigerweise war das immer dann, wenn es diesem Menschen besonders schlecht ging. Wo war also Gott gerade in den Zeiten der Not? Hat er gerade dann seine helfende Hand abgezogen, als dieser Mensch sie besonders nötig gehabt hätte?
Aber nun blieb dieser angefochtene Mensch nicht allein. Er grub sich nicht in seine dunklen Gedanken hinein. Er entfernte sich nicht von Gott, sondern ging geradewegs auf ihn zu mit der Frage, die ihn so belastete: „Wo warst du, Gott, als ich dich so nötig hatte? Hast mich etwa immer nur in guten Zeiten begleitet, aber dann in der Not allein gelassen? War meine Lebensgeschichte die Geschichte eines Fadenrisses?“
Aber nein! All diese Fragen und Gedanken trafen nicht zu. Gott gab vielmehr die tröstliche Antwort: „Mein Kind, gerade in den größten Nöten habe ich dich nicht verlassen. Die Fußspuren, die du siehst, sind meine Fußspuren. In den Zeiten deiner größten Not da habe ich dich getragen!“ --------
Bis hierher hat der Herr geholfen! Gerade in der größten Not war er da. Wenn Gott nicht eingegriffen hätte, wären wir heute vielleicht alle nicht mehr hier!
Lassen wir uns doch heute neu die Augen öffnen für die Spuren Gottes in unserem Leben. Der rote Faden der Liebe und Hilfe Gottes ist da, auch dann wenn es uns nicht immer so erscheint.
Gott hält sein Versprechen. Er will unser Leben weiter begleiten.
Manchmal liegt es vielleicht eher daran, dass wir ihn ein Stück weit aus den Augen verloren haben, unsere eigenen Wege ohne Gott gegangen sind und uns dann fragen: Wo ist Gott?
Sollte das geschehen sein – und ich denke, dass das wohl in jedem Christenleben einmal vorkommt – dann dürfen wir heute neu unser Leben mit Jesus beginnen. Er hält uns nämlich immer noch die Stange, hält uns den roten Faden seiner Liebe und Hilfe hin. Wir dürfen heute die ausgestreckte Hand Gottes neu ergreifen
Dann wird unser Predigtvers eine Fortsetzung erfahren. Nicht nur, dass ich im Rückblick auf mein Leben erkennen darf, dass Gott mir bis hierher geholfen hat. Nicht nur, dass ich mich an die vielen Hilfen und Bewahrungen durch Gott dankbar erinnern darf. Nein! Ich werde dann auch getrost in die Zukunft blicken dürfen. Denn auch in der Zukunft bin ich nicht allein. Gott will mich begleiten. Er will mir Vergebung schenken, mir täglich ein neues Leben ermöglichen, mir den Glauben und mein Vertrauen stärken, mich durchtragen durch das ganze Leben, ja sogar einmal durch den Tod hindurch bis ins ewige Leben mich begleiten.
Dieses Vertrauen hilft uns, getrost in die Zukunft zu schauen und unseren Lebensweg im Vertrauen auf Jesus weiter zu gehen. Er, der uns bis hierher geholfen hat, wird uns auch ganz gewiss weiterhelfen. Vertrauen wir ihm nur ganz fest!
Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen