Predigt über Jesaja 46,4 an Exaudi (29. Mai 2022) - Eiserne und Gnadene Konfirmation
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen
Jesaja 46,4 - Gebet
Liebe Jubelkonfirmandinnen und Jubelkonfirmanden, werte Gemeindeglieder!
Ein großer griechischer Philosoph Heraklit hat einmal als Zusammenfassung seiner Lehre die Worte geprägt: panta rhei. Zu gut Deutsch: Alles fließt, alles ist im Fluss, alles verändert sich; nie ist etwas noch so, wie es gerade gewesen ist.
Ihr ganzes Leben gleicht so einem Fluss. Es fließt dahin seit rund 79 oder 84 Jahren.
Heute am Tag ihre Eisernen oder Gnadenen Konfirmation ist es wohl gut, auch auf die Zeit dieses verflossenen Lebens zurückzublicken
Wie ist es ihnen ergangen? Was hat sich alles verändert? Vielleicht haben Sie in der letzten Zeit intensiv an den Tag ihrer Konfirmation zurückgedacht. Vielleicht haben Sie sich an die Menschen damals erinnert. Vielleicht haben Sie eine alte vergilbte Fotografie herausgesucht. Ein Bild von ihrer Konfirmation. Vielleicht haben Sie sich an ihren Konfirmationsspruch erinnert, der sie nun schon weit über ein halbes Jahrhundert begleitet.
Hätte man sie gefragt, woran sie sich im Blick auf ihre Konfirmandenzeit noch ganz besonders erinnern, dann wäre wohl die Person ihres damaligen Pfarrers Hans Meisel von vielen genannt worden.
Der Tag ihrer grünen Konfirmation war wohl ein wichtiger Meilenstein in ihrem damals jungen Leben gewesen. Nach ihrer Konfirmation ging ja der sogenannte Ernst des Lebens an. Die Kinderzeit war vorbei. Man war auf dem Weg zum Erwachsenwerden und wurde dann auch meist schon etwas anders behandelt. Für viele begann bald nach der Konfirmation das Berufsleben. Entscheidende Weichen wurden damals gestellt.
Seitdem ist viel Zeit verflossen. Viele wichtige Entscheidungen sind seitdem getroffen und viele Erlebnisse sind in diesen Jahren von ihnen gemacht worden. Beruflich, familiär und ganz persönlich hat sich in all diesen Jahren viel getan, viel verändert.
Wie rasant der Wandel der Zeit gewesen ist, das merken wir besonders in den letzten Jahren immer deutlicher. Manchmal verändert sich unsere Welt so schnell, das man gar nicht mehr richtig mitkommt.
Selbst in der Kirche, die ja oft ein Garant für Stabilität ist, hat sich seitdem viel verändert: die Lutherbibel wurde revidiert, das Gesangbuch erneuert, der Gottesdienstablauf verändert. Ja auch in und um die Kirche hat sich so manches getan.
So könnte man sicher auch im Blick auf sich selbst und die Beichtkameraden von damals den Worten des griechischen Philosophen Recht geben, der da sagte: Alles ist im Fluss, alles verändert sich.
Und doch brauchen wir Menschen auch etwas, das uns Halt gibt. Wir brauchen den Felsen im Strom der vergehenden Zeit. Wir brauchen das, was konstant bleibt mitten in allem Veränderlichen unserer Welt und unseres eigenen Lebens.
Konfirmation heißt ja Befestigung, Bekräftigung. Damals haben sie ihr Lebensschiff an dem Felsen in der Brandung, an Jesus Christus festgemacht. Sie haben das Versprechen abgelegt, „unter Jesus Christus, ihrem Herrn, zu leben, im Glauben an ihn zu wachsen und als Evangelisch-Lutherische Christen in seiner Gemeinde zu bleiben.“
Ob sie dieses Konfirmationsversprechen damals anders abgelegt haben, als junge Menschen heute, das mag ich nicht zu beurteilen.
Interessant war für mich jedenfalls, was ein Mann in den besten Jahren mir einmal dazu sagte:
Er verglich das Konfirmationsversprechen mit dem feierlichen Gelöbnis bei der Bundeswehr. Und er sagte: „Was man versprochen hat, das muss man halten!“ So blieb er in der Kirche trotz mancher Zweifel, trotz mancher, auch berechtigter Kritik.
Auch sie sind in der Kirche geblieben, haben ihre ganz unterschiedlichen Erfahrungen gemacht. Haben sich vielleicht manchmal über Veränderungen geärgert oder sich am Bodenpersonal Gottes gerieben.
Aber Menschen und Dinge kommen und gehen. Auch sie sind im Fluss. Doch eines bleibt immer gleich. Es ist der lebendige Gott, auf dessen Namen sie als Kind getauft wurden.
In ihrer Taufe hat Gott ihnen allen seine Gnade und Liebe angeboten. Und der Gott, dem sie damals ihr Versprechen in der Konfirmation gegeben haben, der ist bis heute noch derselbe wie damals.
Das sagt auch unser Bibelwort für die heutige Jubelkonfirmation aus. Es ist ein Wort des Propheten Jesaja, Kapitel 46, Vers 4: „Bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis Ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten!“
Gott hat keine grauen Haare und keinen Rauschebart bekommen. Es sitzt nicht mit Stock auf einer Wolke wie auf einem Thron. Nein, er ruft uns heute zu: Ich bin derselbe bis in euer Alter.
Wir Menschen werden alt und gebrechlich, wir werden grau, schwächer, müde und unbeweglich. Aber Gott bleibt wie er war. Gleichsam ewig jung, dynamisch, kraftvoll auch in seiner Liebe, in seiner Fürsorge, in seine Hilfe für uns.
Es sind ja alles Worte der Bewegung, des Handelns, die da über Gott gesagt werden. Gott ist nicht in den Ruhestand getreten. Nein, er bleibt in Rufweite, in Rufbereitschaft, in Reichweite für uns. Gott ist und bleibt aktiv für uns. Ich will heben und tragen und erretten. Ich habe euch getragen und ich will euch tragen, bis ihr alt und grau werdet!
Ja bei Gott, da tut sich immer was, weil er der lebendige Gott ist. Er lässt nicht locker, uns zu tragen und uns zu helfen.
Und sicher könnten jetzt viele von ihnen aufstehen und erzählen, wie sie in all diesen Jahren geführt und bewahrt worden. Wie sie durch Gefahren getragen wurden und bis heute leben, ja überleben durften. Wie oft hat Gott da über so manches Menschenleben schützend und heilend die Hände ausgebreitet.
Wir können da oft nur im Rückblick dankbar mit den alten Worten singen: „In wie viel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet!“
Ja, Gott verspricht es uns: „Ich will euch tragen bis ihr grau werdet. Ich habe es getan und ich will es tun.“ ---
Margret Fishback Powers, eine Kanadierin, hat dieses Wissen, diesen Glauben einmal in folgendem Gedicht, das schon Millionen bewegte, niedergeschrieben:
Eines nachts hatte ich einen Traum: Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn. Vor dem dunklen Nachthimmel erstrahlten, Streiflichtern gleich, Bilder aus meinem Leben. Jedes Mal sah ich zwei Fußspuren im Sand, meine eigene und die meines Herrn.
Als das letzte Bild an meinen Augen vorübergezogen war, blickte ich zurück. Ich erschrak, als ich entdeckte, dass an vielen Stellen meines Lebensweges nur eine Spur zu sehen war. Und das waren gerade die schwersten Zeiten meines Lebens.
Besorgt fragte ich den Herrn: Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen, da hast du mir versprochen, auf allen Wegen bei mir zu sein.
Aber jetzt entdecke ich, dass in den schwersten Zeiten meines Lebens nur eine Spur im Sand zu sehen ist. Warum hast du mich alleingelassen, als ich dich am meisten brauchte?
Da antwortete er: Mein liebes Kind, ich liebe dich und werde dich nie allein lassen, erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten. Dort, wo du nur eine Spur gesehen hast, da habe ich dich getragen. ---
Aber, liebe Gemeinde, es wäre zu wenig, wenn Gott nur für das Wohl und Wehe in unserem Alltag zuständig wäre, wenn er nur sozusagen für ein gutes Leben zu sorgen hätte.
Viele sehen heute in Gott nur den, der Gesundheit, Frieden und Wohlergehen geben soll. Und wenn er das dann nicht so tut, wird er vor den Richterstuhl gezerrt.
Jemand sagte einmal: Wie kann Gott bloß all die schrecklichen Unglücke und Verbrechen zulassen?
Aber ist es nicht so, dass bei vielen Unglücken und Verbrechen - wie bei dem jüngsten Amoklauf - nicht Gott, sondern wir Menschen schuldig sind?
Da wurde aus Kostengründen gespart, bis ein Unglück geschah?
Da haben Behörden so lange nicht eingegriffen, nicht den potentiellen Täter aus dem Verkehr gezogen, bis ein Mord geschah.
Da wurde aus falscher Scham geschwiegen und den Tätern dadurch weiter freie Bahn gelassen.
Da wurden Menschen menschenverachtend behandelt und ihr Suizid in Kauf genommen. ---
Gott aber will all das nicht. Er möchte uns das Leben und volle Genüge schenken. ---
Da waren also oft Menschen schuld, dass Unglücke und Verbrechen geschehen konnten. Da waren Menschen am Werk, die nicht nach Gottes Spielregeln leben wollten.
Und wie oft sind auch wir mit in den Strudel der Schuld hineingeraten.
Ein unbequemes Thema. Aber ein Thema, das uns alle täglich betrifft. Wir werden an unseren Mitmenschen schuldig und unsere Mitmenschen an uns. Und die Folgen dieser Schuld werden dann manchmal an Leib oder Seele sichtbar.
Wie viele Menschen laufen heute gedrückt und bedrückt durch die Welt. Auch, wenn sie scheinbar alles von sich geschoben oder verdrängt haben.
Schuld ist und bleibt aber die eigentliche Krankheit von uns Menschen. Und die beginnt oft mit der heimlichen und unheimlichen Trennung von Gott.
Hand aufs Herz! Welche Rolle spielt denn Gott da in unserem Alltag? Und ich stelle mir da selber ganz bewusst zuerst diese Frage.
Läuft es da bei uns so, wie Martin Luther es in der Auslegung zum ersten Gebot gefordert hat? Wir sollen Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen? - Oder kommt da erst oft vieles andere und dann irgendwann auch einmal Gott? ---
Aber – Gott sei Dank! Wo uns unsere Schuld vor Gott und Menschen aufgeht, da ruft Gott uns immer wieder zu:
„Ja, du hast mir Arbeit gemacht mit deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht mit deiner Missetat. Aber ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht!“
Deshalb ist das Abendmahl in diesem Festgottesdienst so sinnvoll und wichtig. Wir dürfen wieder zu unserem Gott kommen, unser Herz und Leben ihm offenbaren und seine Vergebung für uns persönlich annehmen. Denn im Abendmahl wird uns ja Vergebung der Sünde, Leben und Seligkeit geschenkt. ---
Was für einen wunderbaren Gott haben wir doch. Er sorgt für Leib und Seele. Bei ihm werden keine Lasten aufgelegt, sondern abgenommen. Er trägt nicht nur uns durch unser Leben, nein, er trägt in Jesus Christus auch deine und meine Schuld ans Kreuz. Er weicht dieser Last nicht aus, nein, er trägt sie für uns.
Heute dürfen wir wieder neu mit allen Lasten und Sorgen unseres Lebens, aber auch mit all unserer Schuld zu Jesus Christus kommen, ihm unser Leben übergeben und neu die Erfahrung machen, wie er uns hält, trägt und durchbringt
Wir dürfen heute unser Ja zu ihm bekräftigen.
Sein Ja zu uns, seine Einladung, hat er ja nie zurückgezogen.
Er lädt uns ein mit den Worten: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken!
Ja, unser Gott will uns heben, tragen und erretten!
So schließe ich mit den Worten eines Liedes von Jörg Streng, in dem er dichtet (113):
Gott wird dich tragen, drum sei nicht verzagt,
treu ist der Hüter, der über dir wacht.
Stark ist der Arm, der dein Leben gelenkt,
Gott ist ein Gott, der der Seinen gedenkt.
Refrain: Gott wird dich tragen mit Händen so lind,
er hat dich lieb wie ein Vater sein Kind.
Das steht im Glauben wie Felsen so fest:
Gott ist ein Gott, der uns nimmer verlässt.
Gott wird dich tragen, wenn einsam du gehst,
Gott wird dich hören, wenn weinend du flehst.
Glaub es, wie bang dir der Morgen auch graut.
Gott ist ein Gott, dem man kühnlich vertraut.
Gott wird dich tragen durch Tage der Not,
Gott wird dir beistehn in Alter und Tod;
fest steht das Wort, ob auch alles zerstäubt,
Gott ist ein Gott, der in Ewigkeit bleibt.
Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen