Predigt über Johannes 16,5-15 zu Pfingsten (05. Juni 2022)
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen
(Johannes 16, 5-15) Gebet
Liebe Gemeinde!
Ein Schuldekan wollte einmal eine Religionsstunde besuchen. Alle waren aufgeregt und bereiteten den Unterricht gewissenhaft vor.
Es war bekannt, dass dieser Mann das Glaubensbekenntnis abhören würde. Also besprach der Lehrer vorher ausführlich dieses Bekenntnis.
Vorsorglich teilte er drei Kinder ein, die sich melden sollten, falls der Schuldekan nach den drei Teilen des Glaubensbekenntnisses fragen sollte. ---
Dann war es so weit, der Schuldekan kam und tatsächlich wurde das Glaubensbekenntnis abgefragt.
Fehlerfrei sagten zwei Mädchen die beiden ersten Teile auf. „Ich glaube an Gott den Vater“, so begann die eine. Und die zweite folgte: „Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unsern Herrn.“ - Alles lief wie vereinbart.
Nur beim dritten Teil meldete sich niemand. Der Blick des Schuldekans ging über die Klassen, aber die Kinder saßen nur stumm da.
Da meldete sich ein Junge aus der hinteren Bank und sagte schüchtern: „Der Martin, der an den Heiligen Geist glaubt, ist heute krank.“ ---
Wir schmunzeln – aber denken wir einmal weiter. Das wäre doch ein Armutszeugnis, wenn allein dieser Martin für den Heiligen Geist zuständig wäre.
Das ist doch eine Not, wenn keiner da wäre, der das Zeugnis vom Heiligen Geist bekennen könnte.
Ich bin mir sicher, dass heute viele unter uns sind, die an den Heiligen Geist glauben und ihn auch erlebt haben.
Wenn nicht, dann wären wir arm dran. Denn Gemeinde ohne den Geist Gottes ist keine Gemeinde. Glaube ohne den Heiligen Geist ist kein Glaube. Pfingsten ohne den Heiligen Geist ist nicht denkbar. Und ein Christ ohne den Heiligen Geist ist kein Christ. ---
Daran werden wir heute erinnert, wenn wir den Predigttext bedenken. Es sind Worte Jesu aus seinen Abschiedsreden im Johannesevangelium. Dort bereitet er seine Jünger vor auf die Zeit, wenn er nicht mehr sichtbar unter ihnen sein wird:
05 Jetzt aber verlasse ich euch, um zu dem zu gehen, der mich gesandt hat, und keiner von euch fragt mich, wohin ich gehe.
06 Ihr seid nur traurig und voller Sorgen über das, was ich euch gesagt habe.
07 Doch glaubt mir: Es ist besser für euch, wenn ich gehe. Sonst käme der nicht, der meine Stelle einnehmen soll, um euch zu helfen und zu trösten. Wenn ich euch verlassen habe, werde ich ihn zu euch senden.
08 Und ist er erst gekommen, wird er den Menschen die Augen für ihre Sünde öffnen, aber auch für Gottes Gerechtigkeit und sein Gericht.
09 Denn ihre Sünde ist, dass sie nicht an mich glauben.
10 Gottes Gerechtigkeit zeigt sich darin, dass er sich zu mir bekennt und ich zum Vater gehe, wenn ihr mich dann auch nicht mehr sehen werdet.
11 Und Gottes Gericht werden die Menschen daran erkennen, dass der Herrscher dieser Welt bereits abgeurteilt ist.
12 Ich hätte euch noch viel mehr zu sagen, aber ihr könnt es jetzt noch nicht begreifen.
13 Wenn aber der Geist der Wahrheit kommt, werdet ihr die Wahrheit vollständig erfassen. Denn er redet nicht in seinem eigenen Auftrag, sondern gibt nur das weiter, was ihm gesagt wurde. Auch was in Zukunft auf euch wartet, wird er euch verkündigen.
14 Dadurch wird er mich verherrlichen; denn alles, was er euch zeigt, kommt von mir.
15 Was der Vater hat, gehört auch mir. Deshalb kann ich mit Recht sagen: Alles, was er euch zeigt, kommt von mir." ---
Abschiedsstimmung herrscht gerade unter den Jüngern. Noch überblicken Sie nicht, was geschehen wird, aber Jesus sieht schon klarer: Sein Abschied steht bevor, er wird leiden und sterben.
Und die Jünger bleiben zurück, ohne ihren Herrn, zitternd und zagend, feige und frustriert.
„Euer Herz ist voll Trauer“, so sagt Jesus die kommende Lage der Jünger voraus. Und es ist schon bald so weit.
Aber es wird kein Abschied sein für immer.
Das Kreuz und der Tod werden wohl ihre Triumphe feiern. Doch der Ostersieg wird heraufziehen.
Und damit die Zeit der Osterbegegnungen. Der Auferstandene wird sich den verängstigten Jüngern zeigen. Mit den beiden Wanderern auf dem Weg nach Emmaus wird er das Brot brechen. Und dem Zweifler Thomas wird er seine Hände zeigen.
Doch was wird dann nach seiner Himmelfahrt aus den Jüngern? Bleiben sie allein mit ihren Erinnerungen daran, wie schön es war, als Jesus noch unter ihnen war?
Oder bleiben sie mit ihrer Sorge zurück, dass sich die Leben schaffenden Worte Jesu bald schon im Lauf der Geschichte verlieren werden?
Oder bleiben sie mit dem Entschluss zurück, dass nun eben sie die Sache Jesu weitertreiben müssen? ---
Nichts davon ist richtig. Jesus selbst verspricht ihnen stattdessen: „Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch.“
Die Nachfolgefrage ist längst entschieden. Jesus wird eingehen in Gottes himmlischen Machtbereich, aber er kommt zugleich zurück in Gestalt des Heiligen Geistes.
Beim ersten Pfingstfest in Jerusalem erfüllte ein Brausen das Haus, in dem die Freunde Jesus versammelt waren.
Doch es geschah weit mehr. Denn der Heilige Geist erfüllte nicht nur den Raum, sondern auch die Herzen und das Leben der Jünger.
Nun war ihr Herr wieder bei ihnen. Er wohnte in ihnen. Und er wirkte durch sie.
Wir können uns den Jubel der Pfingstgemeinde nicht groß genug vorstellen: „Unser Herr ist da. Sein Geist erfüllt unser Leben. Sein Wirken lenkt unser Tun. Sein Wort macht uns gewiss!“
Jesus sagt über den Heiligen Geist: „Wenn ich nicht weggehe, kommt der Tröster nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden.“
Wer und was ist nun dieser Tröster?
Wir kommen dem Wortlaut näher, wenn wir von „Beistand“ reden. Der Heilige Geist steht uns bei. In ihm ist kein anderer als Jesus Christus selber, der uns zu jeder Zeit unsichtbar umgibt und führt. Damit ist er zugleich auch der Helfer, der unserem schwachen und angefochtenen Glauben immer wieder neu aufhilft.
Der Heilige Geist ist keine Ersatzlösung nachdem Jesus vor den Augen der Jünger weggenommen wurde.
Im Heiligen Geist kommt Jesus selbst als sein eigener Nachfolger. Das gibt es nirgends sonst auf der Welt, dass einer nach seinem Tod sein eigener Nachfolger ist.
Aber bei Jesus ist es so. Damit ist der Auferstandene nicht fern von uns, sondern mitten unter uns, auch jetzt und heute. ---
Dieser Beistand ist damals auf die Jünger herabgekommen. So berichtet es die Apostelgeschichte. Ohne das Zutun der Jünger, einfach so. Und seither hat sich diese Pfingstbegegnung vielfältig wiederholt.
Bis heute öffnen Menschen ihr Herz und ihr Leben für ihn, so wie man eine Tür auftut und einen guten Bekannten in seine Wohnung einlässt.
Der Heilige Geist erzwingt sich dabei nicht den Eintritt. Aber er ist einer, der gerne kommt, wenn wir ihn bitten.
Etwa so wie der Liederdichter Michael Schirmer es singt: „O Heilger Geist, kehr bei uns ein, und lass uns deine Wohnung sein.“
Wir sollten diese Bitte viel häufiger beten. Am Beginn eines neuen Tages und vor jeder wichtigen Entscheidung sollten wir um Gottes Geist bitten. ---
Ein Bild mag uns dies veranschaulichen:
Ein Autofahrer hatte sich verfahren. Deshalb fragte er einen Fußgänger nach dem Weg. Dummerweise lag sein Ziel aber ganz am anderen Ende der Stadt.
- Nun könnte er sich den Weg beschreiben lassen, aber würde er so sein Ziel erreichen? Würde er sich nicht bald erneut verfahren?
Es wäre viel klüger, wenn er den Fußgänger bitten würde, ihn zu begleiten. So hätte er den bei sich, der die Orientierung hat.
Noch besser wäre es, wenn er dem Ortskundigen gleich das Steuer überlassen würde? Dann könnte er sicher sein, dass ihn dieser auf dem besten Weg ans Ziel bringen würde. -
Zugegeben, eine eigenartige Vorstellung.
Aber übertragen wir diesen Vergleich einmal auf unser Leben.
Sollten wir nicht gerade auf unserer Lebensreise so handeln? Der Heilige Geist kennt nicht nur den besten Weg für uns, er selbst bringt uns auch am besten ans Ziel. ---
Bleiben wir im Bild, dann könnten wir das erwähnte Pfingstlied auch so beginnen: „O Heiliger Geist, steig bei uns ein. Du sollst bei uns der Fahrer sein.“
Doch Jesus ist hier noch nicht am Ende. Er beschreibt den Heiligen Geist weiter.
„Wenn der Geist kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünden und über die Gerechtigkeit und über das Gericht“, sagt er.
Das sind dichte Aussagen, die wir heute nicht in der Tiefe ausloten können. Aber so viel wird klar:
Gottes Geist ist kein Zeitgeist. Gottes Geist passt sich nicht der Mehrheit an. Er ist keine Stimme unter vielen – schrill, laut oder spektakulär.
Der Heilige Geist ist vielmehr die Stimme der Wahrheit. Es ist die Stimme, die unser Leben echt und ehrlich macht. Und es ist die Stimme, die uns den Willen Gottes ausrichtet. ---
Weil der Heilige Geist klar und deutlich redet, konnte Martin Luther sagen:
„Der Heilige Geist ist kein Skeptiker. Er ist vielmehr ein Gewissmacher. Er macht unseren Glauben gewiss. Er macht uns Gottes gewiss.“
Diese Stimme der Wahrheit wird laut in der Bibel. Durch das Wort Gottes redet er Klartext. Wir könnten auch sagen: Die Bibel ist das wichtigste Sprachrohr des Heiligen Geistes. In ihr zeigt er uns deutlich, was Gott von uns fordert und was er uns schenkt.
Von einem Dreiklang spricht Jesus hier:
Jesus sagt: Der Heilige Geist deckt in unserem Leben die Sünde auf. - Lesen wir die Bibel mit der Bitte um dem Heiligen Geist, dann wird sie uns zum Spiegel, der uns zeigt, wie Gott uns sieht.
Jesus sagt aber auch, der Heilige Geist macht uns gerecht. Denn wenn wir die Bibel mit der Bitte um den Heiligen Geist lesen, dann hören wir die Stimme Gottes, die uns Vergebung anbietet und uns zum Glauben ruft. Der Geist Gottes verändert uns, er macht uns zu Menschen, die Gott gefallen.
Und Jesus sagt: Der Heilige Geist macht uns gewiss, dass uns niemand scheiden kann von der Liebe Gottes.
Lesen wir die Bibel mit der Bitte um den Heiligen Geist, dann erkennen wir: Der Gegenspieler Gottes ist schon längst besiegt. Und damit haben Angst und Sorge, Not und Verzweiflung nicht mehr das letzte Wort. Wenn wir uns unter die starke Hand Jesu stellen, kann uns niemand und nichts mehr schaden. ---
Das alles wirkt der Heilige Geist: er deckt unsere Sünde auf, er macht uns recht vor Gott und er ist stärker als die Macht des Teufels.
Am Ende unseres Predigtabschnitts fasst Jesus die Aufgaben des Heiligen Geistes zusammen, wie ein Brennglas die Strahlen der Sonne bündelt:
Der Heilige Geist ist der Geist Jesu. Seine Hauptaufgabe ist es, Jesus groß zu machen. Im Wortlaut Jesu: „Er wird mich verherrlichen.“ ---
Wir können viel über Jesus nachdenken und viele schlaue Bücher über ihn lesen. Doch wir kommen erst dann zu echter Klarheit über ihn, wenn uns Gottes Geist die Augen öffnet. --
Wer z.B. schlecht sieht, braucht eine Brille.
Mit unserem Verstand ist es genauso. Wir erkennen nur ein verschwommenes und unscharfes Bild von Jesus Christus und seinem Wirken.
Doch wir können diese Sehschwäche nicht selbst ausgleichen. Es braucht schon einen Fachmann, der uns die rechte Brille aufsetzt.
Dieser Fachmann ist der Heilige Geist. Wenn er uns die richtige Brille aufsetzt, dann sehen wir Jesus klar und deutlich.
Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist, als unsere menschliche Vernunft, der bewahre Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen