Abschiedspredigt von Pfr. Heidenreich über Jesaja 43,1-5a zum 6. Sonntag nach Trinitatis (24. Juli 2022)
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Jesaja 43,1-5a:
1 Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!
2 Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.
3 Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt,
4 weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. …
5 So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.
Gebet
Liebe Gemeinde!
„Ich bin getauft auf deinen Namen!“ So haben wir es gerade gemeinsam gesungen.
„Ich bin getauft auf deinen Namen!“ Das werden wohl schier alle, die heute hierher gekommen sind, von sich sagen können.
Die allerwenigsten von uns werden sich aber an ihre eigene Taufe erinnern können, denn meistens wurden wir schon als kleine Kinder getauft.
Dass wird dennoch davon wissen, das haben wir unseren Eltern und Paten zu verdanken. Sie haben uns von unserer Taufe erzählt. Sie haben uns vielleicht Bilder von unserer Taufe gezeigt. Sie haben uns vielleicht einen Film über unsere Taufe anschauen lassen. Vielleicht haben die Kinder unter uns auch jährlich an ihrem Tauftag ihre Taufkerze angezündet.
„Ich bin getauft auf deinen Namen!“ Schön, wenn wir das wissen dürfen. Aber welche Bedeutung hat denn dieses Wissen für uns? Gibt uns dieses Wissen irgendwie Kraft, Hilfe oder Halt im Alltag?
Von Martin Luther wurde folgendes berichtet. Wenn er in seiner Arbeit wieder einmal besonders angefeindet wurde, wenn er verfolgt oder mit dem Leben bedroht wurde, aber auch wenn er in tiefe Anfechtungen gestürzt war und die dunklen Gedanken der Depression ihm zu schaffen machten, dann schrieb er mit Kreide auf seinen Schreibtisch: „Ich bin getauft!“ - Darauf zu vertrauen gab ihm wieder Kraft und neuen Lebensmut.
Wenn uns das Wasser bis zum Hals steht, wie es in unserem Text heißt, wenn uns viele Sorgen und Probleme unter den Nägeln brennen, dann können wir uns ja nicht wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Schlamassel ziehen.
Nein, da brauchen wir Hilfe von außen. Wir brauchen jemanden, der uns hilft. Wir brauchen einen, der uns neu Mut und Kraft zuspricht.
Wir brauchen aber auch einen, der mit seiner ganzen Person hinter seinem Versprechen steht, bei uns zu sein. Wir brauchen einen, dem wir auch wirklich zutrauen, dass er uns helfen kann. ---
Als das Volk Israel damals in so einem Schlamassel war, als ihm das Wasser bis zum Hals stand, weil sie nun schon so lange in Gefangenschaft in Babylon bleiben mussten und schier keine Hoffnung auf Rückkehr hatten, da kam jemand zu ihnen und machte ihnen neu Mut.
Im Buch des Propheten Jesaja werden uns jene Worte des großen Helfers, des großen Heilands aller Menschen übermittelt. Es sind die Worte Gottes an sein Volk. Worte, die wie ein Liebesbrief klingen. Worte, die den Israeliten zu Herzen gingen und ihnen neu Hoffnung und Lebensmut gaben.
Aus diesen Worten ist auch der Wochenspruch für unsere neue Woche entnommen:
„So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“
In meiner früheren Kirche in Weismain stand ein Teil dieses Spruches auf dem Rand der Taufschale: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein!“
Diese Worte waren ursprünglich an jedes Mitglied des Volkes Israel im Exil gerichtet. Gott hatte sich ihnen wieder in großer Liebe zugewandt. Gott war ihnen nicht fern!
Viele Israeliten hatten damals nämlich gedacht: Haben wir uns die Lage, in der wir gerade sind, nicht selber zuzuschreiben? Haben wir nicht Haus und Hof und Heimat verloren, weil wir nicht nach Gott fragten, sondern unsere eigenen Wege gingen? Ist unsere jetzige Situation nicht eine Strafe Gottes oder zumindest die Folge unseres eigenen Handelns? Hat Gott uns deshalb verlassen? Müssen wir uns vielleicht sogar vor ihm fürchten?
Fragen, die auch heute angesichts von Klimaerwärmung, Krieg, Corona oder wirtschaftlicher Probleme so manche Menschen umtreiben. ---
Aber nun ruft Gott ihnen zunächst sein großes „Fürchte dich nicht!“ zu. Ein Wort, das zunächst alle Angst nehmen und dafür neues Vertrauen wachsen lassen will.
Neues Vertrauen auf den Gott, der sie geschaffen hatte. Neues Vertrauen auf den Gott, der Ihnen schon in früheren Jahren Befreiung geschenkt hat. Denken wir nur an die Befreiung aus Ägypten oder die Rettung am Roten Meer.
„Fürchte dich nicht!“ Das rief ihnen der Gott zu, der sie mit Namen gerufen hat, sie kannte und wollte.
Es ist der Gott, zu dem sie für immer gehören sollten, der sich aus Liebe mit ihnen verbunden hatte.
Es ist der Gott, der das Volk Israel nicht im Schilfmeer hat ertrinken lassen. Es ist der Gott, der die Seinen selbst aus dem Feuer errettet hatte. ---
Dieser Gott rief ihnen zu: „Ihr seid wertvoll in meinen Augen! Ihr seid etwas ganz Besonderes für mich! Euch habe ich lieb!“ ---
Ein Liebesbrief Gottes an sein Volk. Zugleich aber auch eine Liebeserklärung an jedes einzelne Mitglied seines Volkes ganz persönlich. Jeder durfte sich diese Worte zu Herzen nehmen. Jede durfte aus diesen Worten neuen Mut schöpfen. Alle durften mit neuer Zuversicht in die Zukunft schauen. Denn was Gott verspricht, das hält er gewiss. ---
Noch war von Freiheit und Rückkehr nichts zu sehen. Aber Gott steht zu seinem Wort. Was er verspricht, das hält er gewiss.
Es ist wie bei unserer Jahreslosung, in der Jesus uns verspricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“
Wir dürfen mit allen Sorgen und Nöten zu Gott kommen. Er ist schon längst bei der Arbeit, auch wenn wir noch nichts davon erkennen. Aber es kommt die Stunde, es kommt der Tag, wo wir sein Eingreifen hautnah erleben dürfen.
Und diese Stunde kam auch für die Israeliten. Ihre Gefangenschaft nahm ein Ende. Sie dürften wieder in die Heimat zurückkehren und neu anfangen.
Liebe Gemeinde! Eingangs fragten wir, inwieweit uns die Gewissheit unserer Taufe im Alltag eine Hilfe ist. Und vielleicht fragen manche jetzt, was denn die Worte Gottes damals an das Volk Israel heute mit uns und unserer Taufe zu tun haben.
Ich denke, da lassen sich manche Parallelen aufzeigen:
Auch wir wissen uns doch als Geschöpfe Gottes. Jeder und jede von uns sind ein einzigartiger Gedanke Gottes.
In einem modernen Lied heißt es dazu:
„Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur, ganz egal, ob du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur. Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu. Ja, du bist du, das ist der Clou, ja der Clou, ja, du bist du!“
Aber wir sind nicht nur von Gott geschaffen, sondern von ihm auch ganz persönlich angenommen. Bei unserer Taufe wurde unser Name genannt. Wir sind Gott persönlich bekannt. Er hat uns namentlich zu sich gerufen. Wir sind in seinen Augen wertgeachtet. Wir sind etwas Besonderes für ihn. Auch wir sind seine geliebten Kinder. Das hat er uns in unserer Taufe zugerufen. Das darf für unser ganzes Leben gelten, denn er hat Ja zu uns gesagt. ---
Nicht nur das Volk Israel ist also sein geliebtes Volk. Auch wir, das Volk der Christen sind sein geliebtes Volk. Denn wir gehören zu seiner Kirche. Wir sind seine Kirche. Denn durch unsere Taufe sind wir zur Kirche Jesu Christi berufen.
Und dabei ist es egal, ob wir durch unsere Taufe zur evangelischen oder zur katholischen oder zu einer anderen christlichen Kirche gehören.
Wir gehören durch Taufe und Glaube zu Gottes Volk, sind Teil seiner weltweiten Kirche.
Diese wunderbaren Zusagen Gottes sind uns in unserer Taufe angeboten worden. Diese Versprechen Gottes stehen felsenfest. Unsere Taufe ist das größte Gnadenangebot Gottes, das wir uns denken können. In der Taufe hat er uns das gleichsam mit Brief und Siegel zugesagt.
Jetzt muss von unserer Seite dieses wunderbare Geschenk nur noch angenommen werden. Wir brauchen diesem Gnadenangebot Gottes nur ganz persönlich zu vertrauen. Gott wird uns dabei nie enttäuschen.
Denn es gilt ja: Wer glaubt und getauft wird, der soll selig werden! ---
Diese Gewissheit im Glauben darf dann aber auch Folgen für unser Leben haben. Wenn ich Gottes Geschöpf bin, wenn ich Gottes geliebtes Kind bin, dann weiß ich mich auch geborgen in seiner Nähe. Dann weiß ich, dass er mein Leben in seiner Hand hat.
Wenn ich durch die Taufe Gottes geliebtes Kind geworden bin, dann heißt das sicher nicht, dass ich immer auf Wolke sieben wandeln werde.
Auch Christinnen und Christen kennen Sorgen und Probleme, Krankheit, Leiden und Tod.
Selbst große Gottesmänner wie Paulus haben das erfahren müssen. Aber mitten in allem Leid war da ein großer Trost von Gott da. Mitten in aller Not wusste sich Paulus geborgen in der guten Hand Gottes. Und so durfte er es erleben, dass Gottes Verheißung an ihn Wirklichkeit wurde: „Lass dir an meiner Gnade genügen, den meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!"
Wir werden als Christinnen und Christen nicht von Leiden bewahrt, aber im Leiden von Gott begleitet und getragen. Gott wird uns immer wieder die Kraft geben, das anzunehmen, was wir nicht ändern können, aber auch das zu verändern, was wir mit seiner Kraft anders machen können und dürfen.
Kürzlich hat mir jemand eine Kerze gezeigt, auf der die schöne Geschichte mit dem Titel „Spuren im Sand“ zu lesen stand.
Da erlebt ein Mensch im Traum folgendes: Sein Leben glitt an seinem inneren Auge vorüber. Es war wie ein Spaziergang mit Gott am Strand. Zwei Paar Fußspuren drückten sich in den Sand. Aber immer wieder war nur eine Fußspuren zu sehen. Eigenartigerweise war das immer dann, wenn es diesem Menschen besonders schlecht ging.
Da fragte er: „Wo warst du, Gott, als ich dich so dringend nötig hatte? Hast du mir nicht versprochen, immer bei mir zu sein?“
Da antwortete Gott: „Mein Kind, gerade in den größten Nöten habe ich dich nicht verlassen. Die Fußspuren, die du siehst, sind meine Fußspuren. Denn da habe ich dich getragen!“
„Ich bin getauft auf deinen Namen!“ Diese Gewissheit gibt auch uns im Alltag Halt und Kraft. Meine Taufe lässt mich immer wieder zuversichtlich vorwärts blicken. Denn Gott hat auch mir persönlich zugerufen: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“
Und dieses große „Fürchte dich nicht“ gilt auch unserer Gemeinde jetzt. Wenn ich jetzt in den Ruhestand verabschiedet werde, dann geht nur ein menschlicher Hirte mit all seinen Fehlern und Schwächen.
Aber es bleibt der gute Hirte Jesus Christus, der mit unserer Gemeinde in die Zukunft geht. Er bleibt auch sozusagen in den Wassern der Landesstellenplanung bei uns. Er begleitet seine Gemeinde hier in Mistelbach auch in Zukunft. Er kennt Sorgen und Ängste, offene Fragen und Unklarheiten.
Und er ruft uns heute zu: Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn ich bin und bleibe bei dir!
Amen
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als unsere menschliche Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen